Trauma
Der Begriff des Traumas verweist auf eine mittlerweile längere Geschichte und vielleicht auch deshalb auf einen breit gefächerten Anwendungsbereich in seiner Begrifflichkeit. Es erhebt sich die Frage, was ein Begriff nach dem Motto „alles Trauma oder was“ noch aussagt, wenn die notwendigen Differenzierungen ausbleiben. Eine quasi Inflation. So mutet der Begriff, neben der angedeuteten Unschärfe, fast wie eine zeitgeistabhängige Herangehensweise an klinische Bilder an.
Die Allgegenwärtigkeit des Traumas veranlasst den Berliner Traumatherapeuten SCHUBBE von einer Volkskrankheit zu sprechen.
Das Trauma als Allgemeingut, als allgegenwärtige Präsenz durch Medien und Vernetzung: Krieg, Terror, Bedrohungen. Aber auch die schnellen Veränderungen, Wirtschaftskrisen werden mit einem Trauma, einer Überforderung, deren Folgen nicht beherrschbar scheinen, gleichgesetzt. Es scheint eine chronifizierte Angst vor dem Ungewissen, dem Nicht-beherrschbaren zu sein, was heute ebenfalls den Namen Trauma bekommt. Und hier soll die Unterscheidung ansetzen. Was ist ein Trauma und was ist das andere – das, welches aus dem vorliegenden Blickwinkel heraus zumindest einmal kein Trauma ist.
Trauma – ein Definitionsversuch
Je nach der Schulenzugehörigkeit bzw. wissenschaftlicher Provenienz wird der Traumabegriff verschieden ausgeleuchtet und gehandhabt. Davon aus¬gehend verlaufen traumazentrierte Therapiemethoden in unterschiedliche Richtungen – wenngleich sich in vielen Punkten doch inhaltliche Berühr¬ungspunkte ergeben. Die Verrechnung mit den Sozialversicherungsträgern hat eine medizinische Ausrichtung vorgegeben; moderne Diagnosekataloge setzen das Erwartete um. Insofern ist das Trauma – wie Gesundheit respektive Krankheit – immer auch eine politische Angelegenheit.
Die Möglichkeit zu einer flotten Wiederherstellung des wirtschaftlich zu funktionierenden Menschen muss schnell gegeben sein; leider entspricht diese übertrieben kurzzeitorientierte Lösungsstrategie nur selten der Realität bzw. stimmt mit der Arbeit mit PatientInnen überein.
Insofern kann zwischen einen engem und einem erweitertem Traumabegriff unterschieden werden, wenn ersterer sich am Modell der WHO orientiert, letzterer sich eher an Freuds Ansätzen zu Beginn des 20 Jahrhunderts ausrichtet (vgl. HOFFMANN, 1999, S. 29).
Will das Menschenbild holistisch in ein System von Individuum und Welt verortet werden, dann lässt sich die Irritation von REDDEMANN (2004) zu den wiederkehrenden bevorzugten phasenhaften Zugängen zu Lasten einer prozessorientierten Verstehens und Arbeitens verstehen. Der Trend scheint in den letzten Jahren – u.a. Dank der neurobiologischen Erkenntnisse zum Thema – eine Wendung zu erfahren.
FISCHER & RIEDESSER:
Psychische Traumatisierung lässt sich definieren als vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltver¬ständnis bewirkt (2009, S. 395).
American Psychological Association:
Ein Trauma ist eine Erfahrung außerhalb der Norm, bei welcher die eigene physische und/oder psychische Integrität (Unversehrtheit) bedroht ist oder bei welcher man Zeuge von Bedrohung anderer Menschen wird (1987).
Rolf KLEBER, Wörterbuch der Psychotherapie:
Ein Trauma führt zu massivem negativem Stress, unerträglichen Gefühlen und verändertem Verhalten, d. h. zu biologischen, psychologischen und sozialen Folgen (1992).
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland:
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) ist eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse (wie z.B. Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, auch in der Kindheit (sog. Sexueller Missbrauch), Vergewaltigung, gewalt¬tätige Angriffe auf die eigene Person, Ent-führung, Geiselnahme, Terroranschlag, Krieg, Kriegsgefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verur¬sachte Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung), die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können. In vielen Fällen kommt es zu einem Gefühl von Hilflosigkeit und durch das traumatische Erleben zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses.